Willy Brandt, Bundeskanzler 1969 - 1974

Willy Brandt – Bundesarchiv ccbysa 3.0

Willy Brandt, SPD-Politiker, ist von 1969 bis 1974 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und tritt mit seiner „Neuen Ostpolitik“ für eine Entspannung mit den Ostblock-Staaten ein. Dafür wird er 1971 mit dem Friedensnobelpreis geehrt. Zur Zeit des Mauerbaues ist er Regierender Bürgermeister von Berlin.

Kindheit und Jugend in Lübeck (1913 – 1933)

Am 18. Dezember 1913 wird Willy Brandt unter dem Namen Herbert Frahm in Lübeck geboren. Er wird unehelich geboren, seinen Vater lernt er nie kennen. Frahm wächst in ärmlichen Verhältnissen auf, sein Großvater übernimmt die Erziehung. Mit einem Stipendium kann der begabte Schüler das Gymnasium besuchten. Als SPD-Mitglied ist sein Großvater politisch engagiert und prägt früh das politische Engagement seines Enkels. Mit 16 tritt auch Herbert Frahm der SPD bei, wechselt ab 1931 in die Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP).

Zeit im Exil (1933-1946)

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Jahre 1933 flieht Herbert Frahm nach Norwegen, da ihm aufgrund seines politischen Engagements die Verhaftung drohte. Dort benutzte er verschiedene Decknamen, unter anderem den Namen Willy Brandt. In Oslo betätigte sich Willy Brandt in der Arbeiterpartei Norwegens (DNA). Er arbeitet als Journalist und informiert über die NS-Diktatur. Ein Geschichtsstudium bricht er ab, um sich voll der Politik zu widmen. Auch während seiner Zeit im Exil arbeitet er für die SAP und unternimmt in ihrem Auftrag geheime Reisen, unter anderem nach Frankreich, Spanien und Berlin. 1938 erkennen ihm die Nazis die deutsche Staatsbürgerschaft ab. In Norwegen lernt er seine spätere Frau Rut kennen, mit der er später drei Söhne bekommt. 1940 erhält er die norwegische Staatsbürgerschaft. 1944 wendet sich Willy Brandt von der SAP ab und tritt der SPD bei.

Rückkehr nach Deutschland und erste Schritte in der Bundespolitik (1947-1966)

1947 kehrt Willy Brandt nach Deutschland zurück, wird wieder deutscher Staatsbürger und nimmt offiziell den Namen Willy Brandt an. Zwei Jahre später zieht er als Vertreter Berlins in den ersten Deutschen Bundestag ein. Im Jahre 1957 gewinnt Willy Brandt die Wahl zum Regierenden Bürgermeister von Berlin und wird zugleich auch Vorsitzender des Bundesrates. In dieser Zeit muss er sich mit verschiedenen nationalen und internationalen Konflikten befassen. Besonders mit der zweiten Berlin-Krise und dem Mauerbau wird Willy Brandt vor eine lösbare Aufgabe gestellt. Über den Kopf der deutschen Politik hinweg haben Kennedy und Chruschtschow sich auf den Bau der Berliner Mauer geeinigt. Als am 13. August 1961 Ulbricht über Nacht die Mauer rund um Westberlin ziehen lässt, wird Brandt vor vollendete Tatsachen gestellt. Er ist enttäuscht von den Westmächten, kann aber gegen die Mauer nichts  unternehmen. Bis 1966 ist Brandt Regierender Bürgermeisters von Berlin. Danach wird er als Außenminister in die Bundesregierung der großen Koalition unter Kanzler Kiesinger berufen. 1964 übernimmt er den Bundesvorsitz der SPD.

Brandt als Bundeskanzler (1969-1974)

Zweimal tritt Willy Brandt an zur Wahl als Kanzlerkandidat der SPD. Mit der dritten Kandidatur 1969 ist er schließlich erfolgreich und wird der erste sozialdemokratische Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Er fördert eine gesellschaftspolitische Liberalisierung, verfolgt eine offene Ostpolitik und trägt so zur Entspannung des Verhältnisses zu den Ostblockstaaten bei. Besonders die Beziehung zur DDR verbessert er entscheidend.
Im Rahmen der Unterzeichnung des Warschauer Vertrags am 7. Dezember 1970 fällt er vor dem „Ehrenmal der Helden des Ghettos“ auf die Knie und bittet stellvertretend für Deutschland um Vergebung für die Verbrechen des zweiten Weltkriegs. Als Anerkennung seiner Ostpolitik erhält er 1971 den Friedensnobelpreis.

Das Ende der Kanzlerschaft (1974-1992)

Bei den Bundestagswahlen 1972 wird Willy Brandt noch einmal im Amt bestätigt, doch zwei Jahre später endet seine Kanzlerschaft vorzeitig. Sein Referent für Parteiangelegenheiten, Günter Guillaume, hat vertrauliche Dokumente an die DDR weitergegeben und wird als Spion enttarnt. Brandt muss seinen Rücktritt erklären. Willy Brandt ist weiterhin Parteivorsitzender der SPD und hat zahlreiche Parteiämter und Ehrenposten inne. Er engagiert sich in der internationalen Politik und wird Vorsitzender der Nord-Süd-Kommission, die sich für eine neue Weltwirtschaftsordnung engagiert. Während des atomaren Wettrüstens zwischen den USA und der UdSSR nimmt er an Friedensdemonstrationen teil und warnt vor einer weiteren Aufrüstung.

Brandts Verhältnis zur Wiedervereinigung

Wie verhielt sich Willy Brandt zur DDR und zur Berlin-Frage am Ende seines politischen Lebens? Den Fall der Berliner Mauer sowie den Sturz der kommunistischen Diktaturen in Mittel- und Osteuropa sah Brandt positiv, doch er hielt am Status Quo mit zwei souveränen Staaten auf deutschem Boden fest. Aufgrund einer schwere Erkrankung 1992 zog er sich aus der Öffentlichkeit. Am 8. Oktober desselben Jahres starb Willy Brandt. Seine Beisetzung fand im Rahmen eines Staatsakts in Berlin statt.

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