Mauern gestern und heute: Unser Studiopartner Martin Freitag vom Berliner Studio Küß mich Musik war noch ein Kind, als die Mauer im Sommer 1961 gebaut wurde. Er lebte ganz in der Nähe des Berliner Grenzgebietes, in Moabit, und hat uns erzählt, wie er den Mauerbau erlebt hat. Hat der Mauerbau seine Kindheit verändert? In diesem Video berichtet Martin von seinen Erinnerungen.
Die Geschichte der Mauer beginnt mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 und der Teilung Deutschlands durch die Siegermächte.
Berlin wird zu Zankapfel der Großmächte. Nikita Chruschtschow stellt 1958 an die Westmächte das berühmte Berlin-Ultimatum. Er fordert, dass Berlin zur freien Stadt erklärt und entmilitarisiert wird. Keine Reaktion aus dem Westen. Chruschtschow setzt sein Ultimatum mehrfach aus. Die Lage spitzt sich zu. Der U.S. Präsident John F. Kennedy, Anführer der Westmächte, und Chruschtschow treffen sich Anfang Juni in Wien und besprechen die Berlin-Frage. Keiner will wegen Berlin einen Krieg riskieren. Kennedy meint, dass eine Mauer keine gute Lösung wäre. Aber sie wäre besser als ein Krieg.
Der damalige Bürgermeister von West-Berlin, Willy Brandt, erfährt von den Plänen Ulbrichts und Chruschtschows. Er hofft, dass die Westmächte etwas dagegen unternehmen. Doch nichts geschieht. Am 13.8.1961 befindet sich Willy Brandt auf Wahlkampftour im Westen Deutschlands. Er ist enttäuscht, als er die Nachricht vom Mauerbau erhält. Ein Volk wird von seiner Regierung durch eine Mauer eingeschlossen. So etwas kam in der Geschichte noch nie vor! Doch was hätte es bedeutet, wenn die Westmächte aus Berlin abgezogen wären und die ganze Stadt unter sowjetischen Zugriff gefallen wäre? Heute will man sich das gar nicht mehr vorstellen.
„Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten,“ verkündet Walter Ulbricht am 15. Juni 1961 auf einer Pressekonferenz in Berlin. Doch auf seine Weisung hin hat Erich Honecker, Stabschef der Aktion, bereits alles für den Mauerbau vorbereitet. In der Nacht des 13. August 1961 ist es soweit. An diesem sommerlichen Wochenende machen viele Berliner einen Ausflug. In aller Heimlichkeit werden über Nacht tausende Tonnen von Stacheldraht herangeschafft. Hunderte Lastwagen transportieren Tonnen von Betonpfosten an die Grenze. Mehr als 10.000 Volks- und Grenzpolizisten und einige tausend Kampfgruppen-Mitglieder reißen am frühen Morgen mitten in Berlin das Straßenpflaster auf. Sie errichten aus Asphaltstücken und Pflastersteinen Barrikaden, rammen Betonpfähle ein und ziehen Stacheldrahtverhaue. Alle Sektorenübergänge sind abgeriegelt. Der Durchgangsverkehr der S- und U-Bahnlinien wird unterbrochen. Dreizehn U-und S-Bahnhöfe werden für Ost-Berliner geschlossen. Mit Rückendeckung der sowjetischen Truppen wird das letzte „Schlupfloch“ in der DDR geschlossen. Im Morgengrauen ist die Arbeit getan, ganz Westberlin ist von einer Mauer umgeben.
Am Morgen des 13. August sehen sich die West-Berliner von Stacheldraht und Mauern umgeben. Nur mehr über Transitstrecken, mit der Bahn oder dem Flieger können sie die Stadt verlassen. Auch die Ost-Berliner sind erschüttert. Denn sie können plötzlich nicht mehr in den Westen der Stadt zu ihren Freunden und Familien. Die Menschen, die in westberliner Unternehmen beschäftigt waren, können nicht mehr zu ihrem Arbeitsplatz. Zahlreich versammeln sich Gruppen, demonstrieren gegen die Mauer. Im Osten wird der Protest von Volkspolizisten schnell unterdrückt. Wasserwerfer fahren auf und treiben die Demonstrierenden auseinander. Manche Ost-Berliner springen verzweifelt über den Stacheldrahtzaun, manche stürzen sich aus den Fenstern der Häuser an der Grenze. Danach werden die Fenster zugemauert und die Häuser abgerissen.
Auf dem Berliner Stadtplan rechts erkennst du die Teilung der Stadt. Die Grenze verläuft mitten durch die Stadt und umschließt ganz West-Berlin, wie du an der schwarzen Umrandung um das blaue Feld erkennen kannst. Der Stacheldraht hält die Ost-Berliner anfangs noch nicht von Fluchtversuchen ab. Deshalb beginnen Bautrupps in der Nacht vom 17. auf den 18. August den Stacheldraht durch eine Mauer aus Hohlblocksteinen zu ersetzen. Am 23. August 1961 wird die Zahl der Sektorenübergänge auf sieben reduziert. West-Berliner benötigen von diesem Tag an für den Besuch Ost-Berlins einen Passierschein. Ab dem 25. August werden die Passierschein-Ausgabestellen der DDR geschlossen. Es dauert 1 Jahr, bis zum ersten Passierscheinabkommen von 1963, bis die West-Berliner wieder ihre Verwandten im Osten der Stadt besuchen können
An der Mauer befinden sich streng überwachte Grenzposten, an denen die Menschen genau kontrolliert werden. Einer dieser Posten ist der Checkpoint Charlie. Hier kommen amerikanische Militärs und Botschaftsangehörige ohne Kontrolle durch. Das geht nicht lange gut. Zwei Monate nach Mauerbau fordern DDR-Grenzer von einem amerikanischen Militär sich auszuweisen. Die Westmächte lassen sich das nicht gefallen. Am 27. Oktober 1961 fahren amerikanische Panzer auf westlicher Seite auf. Gleich darauf rollen auf der Ostseite sowjetische Panzer Richtung Checkpoint Charlie. Die beiden Mächte stehen sich schussbereit gegenüber. 12 Stunden dauert die Konfrontation, dann ziehen sich die Panzer und Soldaten zurück. Kein Schuss fällt, trotzdem beginnt ein Krieg. Man nennt ihn den „Kalten Krieg“. Denn es wird nicht mit Waffen gekämpft, sondern mit Parolen und Provokationen.
Mitten in der Ära der Entspannungspolitik 1974 entsteht die 3. Generation der Mauer. Sie besteht aus Stahlbetonplatten, jede Platte 2,6 Tonnen schwer, die auf einem Sockel aufgestellt werden. Höhe jetzt: 3,60 Meter, Breite: 1,20 Meter. Darauf statt Stacheldraht Betonrohre. Mit dem Baumaterial hätte man eine Kleinstadt erbauen können!
Der 100 Meter breite Todesstreifen wird mit elf Hinderniszonen erweitert. Dazu gehören: Alarmgitter, Stolperdrähte, die Leuchtkugeln auslösen, einbetonierte Stahlspitzen, Hundelaufanlagen, Panzergräben, Kfz-Fallen sowie Asphaltstraßen für Patrouillenfahrzeuge.
Die Berliner Kanalisation ist mit Sperrgittern durchzogen. In die Grenzgewässer sind stählerne Unterwassermatten mit Nägeln und Sperrbojen eingelassen.
Die Berliner Mauer wird zur bestbewachten Grenze der Welt. Dennoch gibt es viele, die mit dem Mut der Verzweiflung die DDR verlassen. Die meisten haben Helfer im Westen, das sind oft Verwandte und Freunde oder Fluchthelfer. Einige wenige versuchen es auf eigene Faust. Sie beschaffen sich die abenteuerlichsten Fluchtmittel, bauen Flieger und Heißluftballons, konstruieren Unterwasser-Boote und Unterwasser-Zughilfen. Über 5 000 Menschen gelingt so die Flucht in den Westen. 142 Menschen verlieren auf der Flucht durch die Berliner Mauer ihr Leben. Etwa 75 000 DDR-Bürger werden gefasst und wegen „Republikflucht“ vor Gericht gestellt. Die Regierung der BRD beginnt Menschen freizukaufen, die auf der Flucht geschnappt worden sind oder die wegen ihrer Kritik am Regime hinter Gittern sitzen.
Mehr als ein Vierteljahrhundert sind die Menschen im Osten durch die Mauer vom Westen getrennt. Die meisten finden sich nicht damit ab. Eines Tages beginnen sie einen friedlichen Marsch in Richtung Mauer. Es ist an einem Montag im Sommer 1989. Am nächsten Montag kommen sie wieder und auch an allen folgenden Montagen. Es werden immer mehr, am Ende sind Hunderttausende auf den Beinen. Die Machthaber sehen fassungslos zu, doch sie können nichts dagegen unternehmen. Sie finden einfach kein Mittel gegen den friedlichen Protest. So kommt es, dass am 9. November 1989 die Mauer fällt, ganz ohne Gewalt und Blutvergießen. Die alten Machthaber verschwinden, und die Familien und Freunde in Ost und West finden wieder zusammen.
Seitdem ist der 9. November fest mit der Deutschen Einheit verknüpft. Er erinnert uns an den erfolgreichen friedlichen Widerstand der Bürgerinnen und Bürger der DDR und ihren Mut, gegen das Unrecht aufzustehen.
Willy Brandt über den denkwürdigen 9. November 1989: „Jetzt sind wir in einer Situation, in der wieder zusammenwächst, was zusammengehört.“
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